Die sechs häufigsten Fehler bei der gemeinschaftlichen Wohnprojekt-Planung

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Am Anfang war alles schön. Die Kommunikation wie aus dem Bilderbuch. Alle Beteiligten sind hochmotiviert. Bis es anfängt konkret zu werden und Entscheidungen getroffen werden sollen.

Jetzt stellt sich heraus, wie einfach es ist, aneinander vorbei zu reden:  Baugruppe und Planer/-innen.

Dabei wollen wir doch gemeinsam entwerfen, planen und von lebens- und liebenswerten Gebäuden träumen.

Alles wird gut. Wenn wir nur ein paar Irrtümern aus dem Wege gehen.

quartierplaner-1 „Kann der Architekt nicht schon mal ein paar Zeichnungen machen? Nur so ganz grob, so wie diese Zeichner am Montmatre in Paris. In fünf Minuten, zack, schon fertig. Und dann suche ich mir das schönste Nest aus.“

Nein.

Kein seriöser Planer zaubert ein paar inspirierende Zeichnungen, mit denen man tatsächlich zielorientiert arbeiten kann. Das wäre Verschwendung seiner Zeit. Zunächst brauchen wir eine Idee, was ist das Besondere an unserem Wohnprojekt? Warum überhaupt wollen wir gemeinsam wohnen? Was unterscheidet unser Objekt von einem herkömmlichen Mehrfamilienhaus?

quartierplaner-2 „Also ich hätte es gerne hell. Mit Süd-Balkon und einer grossen Küche. Eine Badewanne mit Blick bis zum Flussufer, das wäre auch toll und unbedingt Holzfussboden.“

Finde den Fehler!

Das sollte keine Wunschliste für den Weihnachtsmann werden. Grundlagenermittlung bedeutet Bedürfnisse zu erkennen. Und ja, die meisten von uns wissen überhaupt nicht, was ihre Bedürfnisse sind!  Wir sind so geprägt vom Marketing der Wohlstandsmüllhersteller, dass wir den Blick verloren haben für das Wesentliche. Es ist überhaupt nichts gegen die Wunsch-Vorstellungen oben einzuwenden: Falls ich für mich alleine baue. Aber das meist solidarische Prinzip eines gemeinschaftlichen Wohnprojektes kommt da sehr schnell an die Grenzen der Möglichen. Die Aufgabe heißt also: Sich selbst näher kommen, echte Bedürfnisse wahrnehmen und formulieren. Sich einlassen auf einen Prozess der Selbstfindung. Was sind jetzt meine Bedürfnisse? Welche habe ich morgen? Wie sehen typische Alltags-Tage aus? Und am Wochenende? Welche Orte in meiner Wohnung sind mir lieb? Und warum?

quartierplaner-3 „Das ist schön.“

Das ist eine hoffnungslose Aussage. Weil sie keinen echten Inhalt transportiert, sondern nur das Versprechen auf endlose Diskussionen über Geschmacksfragen. In der Planungsphase brauchen wir klare Parameter, die uns helfen, Entscheidungen zu treffen. Sobald das Gespräch abdriftet: Ist es entweder Zeit, den offiziellen Teil des Arbeitstreffens zu beenden und sich über erreichte Ergebnisse zu freuen. Oder: Den Kuchen auf den Tisch zu stellen. Der ist schön. -? – Der ist lecker!

quartierplaner-4 „Ach, um die Aussenmöblierung kümmern wir uns später. Wenn alles steht.“

Alles, um das wir uns erst Gedanken machen, wenn wir bereits mitten in der Bauphase stecken, wird richtig teuer. Jede Steckdose, jeder Mülltonenabstellplatz, jedes Klingelschild, Bodenbelag – egal: Änderungen kosten Geld, Nerven und Zeit. Jetzt, wenn wir in der Entwurfs- und Planungsphase stecken ist es der perfekte Zeitpunkt um über großen und kleinen Kleinkram nachzudenken. An den heimischen Kühlschrank bei allen Mitgliedern der Baugruppe gehört eigentlich ein Zettel „offene Punkte“

quartierplaner-5 „Wir sind doch kein Pflegeheim. Nö, das ( Schiebetüren / Fenster ohne Bank / verstellbare Waschbecken /…) brauchen wir nicht.“

Türen ohne Schwellen kennen wir inzwischen alle. Aber Barrierefreiheit meint noch viel mehr. Kann noch viel mehr meinen. Kurz gesagt: Gebäude sind nachhaltig, wenn man sich viele Möglichkeiten offen hält. Wenn nicht nur die Grundrisse flexibel sind, sondern auch die Nutzungen. Und das fängt bei der Freiheit an, dass wir vielleicht 48 qm persönliche Wohnfläche mieten, jedoch hunderte (!) Quadratmeter gemeinschaftliche Fläche nutzen können. Zum Feiern, Arbeiten, Lachen +Weinen, für Opa sorgen, Migräne pflegen,  Schrank abbeizen, Bilderausstellung, Theaterbühne oder: Leben.

quartierplaner-6 „Meine Schrankwand ist 3 Meter sechzig lang und ich brauche quasi lebensnotwendig direkt daneben eine 4fach Steckdose.“

Die Grundzüge des Gebäudes sind entwickelt: Ungefähr stehen die Wohnungsgrößen fest, offene Küche ja / nein, mit seperatem WC oder nicht und wo der Balkon hängt wissen wir auch…. und dann gehts richtig los:

Wie bitte?

Wenn wir von partizipativer Planung im Mietwohnungsbau sprechen, meint das nicht, dass jeder Erstnutzer seine ganz persönliche Wohnung plant. Sondern wir wollen gemeinsam Grundrisse entwickeln, die für Viele gut sind.

 

Und an welcher Stelle kommt Dein Projekt nicht weiter?


 

Astrid Engel