In dem Roman „Bodentiefe Fenster“ erlebt die Mutter zweier Kinder die Gnadenlosigkeit sozialer Kontrolle in einem Baugruppenprojekt. Sehr unterhaltsam schildert Anke Stelling die hoffnungsvollen Ideale, mit denen die Bewohner einer Hausgemeinschaft im Prenzlauer Berg antreten. Das eigene Handeln macht die Welt ein Stückchen besser. Und Gemeinschaftliches Wohnen ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben.

Doch schon bald fühlt sich das Nest nicht mehr vor allem warm, sondern eng an. Jetzt, nach knapp drei Jahren Wohnphase, sind wir endgültig Dörfler geworden, wissen alles voneinander, hören schon am Schritt, wer durchs Treppenhaus geht, und am Einatmen, was der andere gleich sagen wird. Und reden nur mehr hinter vorgehaltener Hand.

Die üppige Verglasung, die die Planer heute so lieben steht als Sinnbild für die totale Transparenz, wenn die Mitbewohner im Haus es nicht rechtzeitig schaffen Grenzen zu setzen.

Endlich sagt mal jemand laut, dass MITEINANDER harte Arbeit ist. Und wer sich nicht traut, seine eigene Enttäuschung über diese Schwierigkeiten zu äußern, der sollte das Buch lesen. Hier kann man herzhaft lachen und sich selbst wiederfinden in den drolligsten Banalitäten.

Erst durch Distanz wird Nähe möglich.

Ja, den Satz kann man ruhig noch dreimal lesen – so wichtig ist er.

Das Beitragsbild kommt mit freundlicher Genehmigung vom Verlag: Anke Stelling | Bodentiefe Fenster | Verbrecher Verlag Berlin 2015 | 256 Seiten, 19 Euro


 

Astrid Engel