Der Deutsche Architektentag 2015 am 11. und 12. Oktober in Hannover suchte Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit. Und die definierte man so:

Neben den üblichen Schlagworten ging es um „demografische Veränderungen“, „Heimat“ und „Wohnen“.

Was machen wir, wenn wir neue Lösungen finden wollen? Wir schauen uns best-practise-Beispiele an.

In diesem Fall also Baugruppenprojekte! Das Rahmenprogramm des Kongresses besuchte die Baugruppe Südstadtschule: Wie funktioniert angemessener und bezahlbarer Wohnraum im städtischen Umfeld? Welche innovativen Modelle des nachbarschaftlichen Wohnens und Arbeitens gibt es?

Wenn sich die wichtigsten Vertreter der deutschen Architektenschaft den Kopf zerbrechen über die „Weichenstellungen für gute Architektur“ und dabei zum Ergebnis kommen, dass Gemeinschaftliches Wohnen mit seinen ungewöhnlichen Strategien ein tolles Konzept ist – dann heißt das:

Das Nachbarschaftshaus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Für den theoretischen Überbau dieser Erkenntnis hatte man auf dem Kongress Prof. Dr. Horst W. Opaschowski zu dem Thema „Vom Wohlleben zum Wohlergehen“ um einen Beitrag gebeten.

Die versammelte Zuhörerschaft hing gebannt an den Lippen des Zukunftsforschers als er von dem Bedürfnis nach Familie und Freunden, nach einem friedlichen Zusammenleben redete.

Wir suchen 1. ein „krisenresitentes Leben im Land der Hoffnung“.  Aber da wir ein Leben in Krisenzeiten führen, „ist Sicherheit die neue Freiheit“. Und für „die Generation Krise“ ist Unsicherheit heute normal.  Also lernen wir nach seiner Ansicht daraus, den  Unberechenbarkeiten extrem positiv gegenüberzutreten. Er stellt die Frage:

Muss Freiheit zugunsten von Sicherheit geopfert werden?

Und was hat das mit Nachbarschaftshäusern zu tun?

Hier leben die Menschen in einem sorfältig geplanten Umfeld der Geborgenheit, mit verlässlichen Kosten und auf ihre Bedürfnisse abgestimmt. Das gibt Sicherheit. Und die Freiheit, sich um andere persönliche Projekte zu kümmern.

Seine 2. These lautet:

Zuwanderung als Zukunftspotential

„2030 ist ein demografisches Wendejahr und das 21. Jahrhundert ist das Migrationsjahrhundert“, wir werden erleben dass „junge Migranten auf alte Frauen“ treffen. Hoppla, das ist eine sehr ungewöhliche Perspektive.

Und was hat das mit Nachbarschaftshäusern zu tun?

Idealerweise erweitern die Bewohner eines Nachbarschaftshauses den Begriff der Nachbarschaft über die Landesgrenzen hinaus und ermöglichen beispielsweise einer Familie mit Migrationshintergrund den Austausch der Kulturen. Der Wettlauf um die interessantesten Köpfe hat längst begonnen.

Die 3. Prognose sagt: Städte müssen neue Standortfaktoren entwickeln,

sogenannte weiche Faktoren. Opaschowski nennt sie „örtliche Toleranz“ oder „menschenfreundliche Gestaltung“. Er hat allerdings vergessen, mir zu sagen was wir denn jetzt haben?

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in Deutschland in der Stadt. Der ländliche Raum dagegen hat mit Entvölkerung zu kämpfen. Die Re-Urbanisierung ist eine Folge von städtischen Mobilitätskonzepten oder stark differenzierter Infrastruktur.  Auf dem Land zu leben kostet mehr Geld + Zeit.

Die Städte werden zu den neuen Wachstumsmotoren. So wie früher die Industrie.

Und die Bevölkerung wandert und wächst.

Haushalte werden kleiner,

es wird mehr Geschosswohnungsbau geben statt freistehender Häuser

Und was hat das mit Nachbarschaftshäusern zu tun?

Nachbarschaftshäuser werden nach meinem Verständnis genau nach diesem Prinzip geplant: Die persönliche Wohnung ist so klein wie möglich und so gross wie nötig.  Alle anderen Flächen werden flexibel gemeinschaftlich genutzt.

Und 4. nennt Deutschlands politischer Zukunftsforscher die

Chance auf flexibleres Wohnen,

weil wir ein „Mieterland“ werden.

Wir brauchen „Lebensabschnittshäuser“  – damit werden Immobilien also mobil.

Und was hat das mit Nachbarschaftshäusern zu tun?

Menschen kaufen Lebensstile => Nachbarschaftshäuser  = zumietbare Wohnflächen, kollektive Wohnzimmer, in denen sie gleichzeitig allein + gemeinsam wohnen.

Nähe entsteht durch Distanz. Menschen wohnen in ihrer privaten Umgebung und können – und genau nur dann – bei Bedarf die räumliche und soziale Nähe zu Anderen zulassen.

Eine 5. These sagt:

Ein starkes soziales Netz stärkt die Lebenserwartung.

Er leitet es ab aus der typischsten aller weiblichen Aufgaben:  Die Pflege der Generationenbeziehungen, das meint die häusliche Pflege der Familienmitglieder, hat ja recht anschaulich zu höherem Alter geführt, bringt also mehr Stabilität.

Die 3-Generationen-Familien sind die „Wagenburg des 21. Jahrhunderts“

Und was hat das mit Nachbarschaftshäusern zu tun?

Wir können das Rad nicht zurückdrehen. Familien leben nun mal nicht mehr zusammen an einem Ort oder in einem Haus. Aber wir können uns unsere Nachbarn selbst suchen. Das kostet Mühe und aufwendige Planung, aber es geht. Und damit können wir unsere Wahlfamilie entwickeln. „Generationenbeziehungen werden wichtiger als Partnerbeziehungen“

Opaschowski prognotiziert 6.,

die Menschen werden ärmer. Aber nicht unglücklicher.

Wenn die Menschen eine Sehnsucht nach dem Sinn haben, dann ergibt sich daraus dass wir nicht unseren Lebensstandard verbessern müssen um mehr Lebensqualität zu genießen.

Und was hat das mit Nachbarschaftshäusern zu tun?

Es gibt eine neue Lust zu schaffen. Zum Beispiel die zunehmende Zahl von Menschen, die mit bürgerschaftlichem Engagement verschlafenen Stadtquartieren zu neuem Leben verhelfen. Eine lebendige Nachbarschaft sorgt für mehr Zufriedenheit.

DIE ZEIT nennt Opaschwski einen leidenschaftlichen Anwalt für die Generationengerechtigkeit und so behauptet er 7.:

Nachbarschaftshilfe ist wichtiger als Sozialhilfe

Indem wir uns ein zuverlässiges soziales Netzwerk knüpfen, schaffen wir die notwendige lebenslange Geborgenheit um glücklich zu sein. Wir altern gesünder und profitieren deshalb eher von  Freunden und Bekannten  als von  der Sozialamts-Hilfe.

Und was hat das mit Nachbarschaftshäusern zu tun?

Nachbarschaftshilfe ist wichtiger als Sozialhilfe!


 

Astrid Engel